Land- und Forstwirtschaft: Wann liegt ein Gewerbebetrieb vor?

Aufgrund des Strukturwandels ergeben sich steuerliche Abgrenzungsfragen dahingehend, ob Tätigkeiten unter die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft oder unter die Einkünfte aus Gewerbebetrieb fallen.

In der Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion hat in den letzten Jahren ein rasanter technologischer Wandel statt­gefunden. Pflanzen gedeihen in Hallen unter künstlichem Licht, Algen wachsen in Röhren­systemen, Schnecken und Insekten dienen als Nahrungsmittel. Die Abgrenzungskriterien zwischen Land- und Forstwirtschaft und Gewerbebetrieb zeigen, dass die Einordung nicht vom Produkt, sondern vor allem von der Produktionsform bzw. vom Herstel­lungs­prozess abhängig ist.

Produktion von Hanf und Sprossen/Microgreens

Der Anbau von Hanf und Microgreens (kleine Gemüsepflanzen) ist dem Gartenbau zuzuordnen, der er­wirt­schaftete Gewinn zählt daher zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft. Werden diese Pflanzen in einem Gewächshaus angebaut, so kann die Gewinnermittlung – unter den entsprechenden Voraus­setz­ung­en – nach der gartenbaulichen Vollpauschalierung erfolgen. Werden diese Pflanzen jedoch in Ge­bäuden und daher „indoor“ angebaut, kann lediglich die gartenbauliche Teilpauschalierung in Anspruch ge­nom­men werden. Dabei werden 70% der Betriebseinnahmen (inklusive Umsatzsteuer) als Betriebs­aus­gab­en angesetzt. Löhne und Lohnnebenkosten können zusätzlich als Be­triebsausgabe geltend gemacht werden.

Algenproduktion

Algen werden zunehmend in der Lebensmittel-, Futtermittel- und Kosmetikindustrie verwendet. Steuerlich ist zwischen zwei Produktionsformen zu unterscheiden: Open-Pond-Systeme, wie zum Beispiel Wasser­beck­en in Folientunneln, gehören zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft. Für diese Produktions­form kann eine Pauschalierung in Anspruch genommen werden. Abgeschlossene Systeme (Photo­bioreaktoren) sind hingegen den Einkünften aus Gewerbebetrieb zuzuordnen. Sie stellen keinen Neben­be­trieb im Sinne der Pauschalierungsverordnung dar.

Schneckenzucht

Die Zucht von Schnecken und essbaren Insekten kann steuerlich der Landwirtschaft zugeordnet werden, sofern über­wiegend betriebseigene Futtermittel verwendet werden. Die Beurteilung richtet sich auch nach dem Bewer­tungs­gesetz, wobei maßgeblich ist, ob es sich bei dem eingesetzten Vermögen um land- und forstwirtschaftliches Vermögen handelt. Diese Zuchtformen gelten als sogenanntes „übriges land- und forst­wirtschaftliches Vermögen“, da sie häufig unabhängig vom Bodenbezug erfolgen, wie bei der Imkerei oder der Fischzucht.

Pilzzucht

Die Zucht von Pilzen ist grundsätzlich landwirtschaftlich, sofern keine labormäßigen Bedingungen vorliegen. Erfolgt der Anbau beispielsweise in Hallen mit künstlich geschaffenen Bedingungen und technischer Standardisierung, gilt die Tätigkeit als gewerblich.

Fazit

Die Abgrenzungskriterien zeigen, dass die Einordung nicht vom Produkt, sondern vor allem von der Produkt­ions­form bzw. vom Herstellungsprozess abhängig ist. Findet die Produktion unter labormäßigen Bedingungen (technisch stan­dard­isierte Prozesse, die sich nicht mehr von einer gewerblichen Produktion, z.B. im Rahmen der Biotechnologie, unterscheiden) statt, so werden in der Regel Einkünfte aus Gewerbe­betrieb erzielt. Umgekehrt liegen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft vor, wenn im Er­zeugungs­prozess Naturkräfte nicht unter labormäßigen Bedingungen wirk­sam werden.

Im konkreten Fall ist somit bereits im Vorfeld zu klären, unter welche Einkunftsart eine Tätigkeit fällt, um eine korrekte Gewinnermittlung zu gewährleisten und nachträgliche Diskussionen mit dem Finanzamt, z.B. im Rahmen einer Außen­prüfung, zu vermeiden. Wir empfehlen daher eine frühzeitige Beratung.

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